
"Wenn Nettigkeit mit Liebe verwechselt wird – über Zuneigung ohne romantische Absicht
Ich liebe es, Menschen zuzuhören.
Ihnen kleine Geschenke zu machen, einfach so.
Ein Satz, ein Blick, ein Moment, in dem ich ganz bei jemandem bin – das ist für mich echtes menschliches Miteinander. Und doch habe ich oft erlebt, dass diese Form von Aufmerksamkeit falsch gelesen wird. Dass aus einem „Ich sehe dich“ ein „Ich will dich“ gemacht wird.
Aber genau darum geht es nicht.
Nicht bei mir. Und wahrscheinlich auch nicht bei vielen anderen.
Ich bin jemand, der gerne gibt. Nicht, weil ich etwas erwarte, sondern weil es mir etwas bedeutet, Verbindungen zu spüren – auf menschlicher Ebene. Ich bin aufmerksam, weil ich glaube, dass wir einander viel zu selten wirklich wahrnehmen. Aber das hat nichts mit Verliebtsein zu tun. Und erst recht nichts mit einer versteckten Agenda.
Trotzdem passiert es immer wieder:
Ein nettes Gespräch wird zur Quelle von Missverständnissen.
Ein spontanes Geschenk wird als „Zeichen“ gedeutet.
Und mein echtes Interesse an der Person – nicht romantisch, sondern menschlich – wird fehlinterpretiert.
Warum passiert das?
Vielleicht, weil echte Aufmerksamkeit selten geworden ist.
Vielleicht, weil viele gelernt haben, dass Wärme und Zugewandtheit automatisch etwas bedeuten müssen – und zwar mehr als Freundschaft.
Vielleicht, weil wir so sehr nach Liebe suchen, dass wir sie überall vermuten, wo sich jemand ehrlich zuwendet.
Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Thema.
Wir haben verlernt, dass Nähe auch ohne Romantik existieren darf.
Dass man einem Menschen tief begegnen kann, ohne ihn besitzen zu wollen.
Dass Intimität nicht automatisch Erotik meint.
Es gibt so viele Formen von Liebe.
Und nicht jede will in eine Beziehung führen.
Manche bleiben still und schön im Moment.
Manche heilen, einfach nur, weil jemand wirklich da ist – ohne Absicht, ohne Forderung, ohne Hintergedanken.
Ich schreibe das nicht, um mich zu rechtfertigen.
Ich schreibe das, weil ich mir wünsche, dass wir wieder lernen, Zuneigung zu leben – frei von Erwartung, frei von Missverständnissen.
Ich schreibe das, weil ich glaube, dass es mutig ist, liebevoll zu sein, ohne dabei Liebe im romantischen Sinn zu meinen.
Und weil ich weiß, wie schnell man sich darin verliert – auf beiden Seiten.
Vielleicht müssen wir nicht aufhören, nett zu sein.
Aber wir dürfen anfangen, genauer hinzusehen.
Was meint die andere Person wirklich? Was meine ich wirklich?
Und vielleicht liegt genau darin der Schlüssel:
Ehrlichkeit. Klarheit. Und der Mut, Zuneigung einfach mal stehen zu lassen – ohne sie in etwas Größeres verwandeln zu müssen.